«Barrierefreiheit als Qualitätsmerkmal»
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Hamburg (kobinet) Bis Barrierefreiheit im Internet zur Selbstverständlichkeit wird, ist es wohl noch ein weiter Weg, meint Tiffany Wyatt heute im kobinet-Interview. Die Hamburgerin hat die Internetagentur für Umwelt, Soziales und Kultur feldwaldwiese.de mit gegründet. Ab 18. Februar 2004 leitet sie bei akademie.de ein Online-Workshop zum barrierefreien Web.

kobinet-nachrichten: Sie arbeiten seit 1998 als Webentwicklerin und Screendesignerin und haben bereits 2000 eine für Blinde und Sehbehinderte zugängliche Website entwickelt. Wie bewerten Sie den Stand barrierefreier Angebote in Deutschland am Ende des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen?

Tiffany Wyatt: Das Positive zuerst: konnten sich noch vor einem Jahr die meisten Webdesigner unter barrierefreiem Webdesign nichts vorstellen, ist der Begriff nach meiner subjektiven Wahrnehmung inzwischen in aller Munde. Barrierefreiheit ist zumindest vordergründig zu einem Qualitätsmerkmal geworden - und Gütesiegel wie die «Bobby approved»-Wappen wurden zu begehrten Trophäen.

Aber das Negative gleich hinterher: allzu häufig steckt nicht viel dahinter, wenn Firmen und Institutionen in Pressemitteilungen vollmundig die angebliche Zugänglichkeit ihrer neuen Websites anpreisen. Die Marketingabteilungen haben das Wort «barrierefrei» für sich entdeckt, so viel ist offensichtlich - nur hinken viele als barrierefrei beworbene Webangebote meilenweit hinter den Versprechen her und erfüllen zum Teil nicht einmal die grundlegendsten Anforderungen an Zugänglichkeit und Benutzerfreundlichkeit. Wenn anderthalb Jahre nach Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetzes immer noch Katastrophen wie das neue Angebot der Bundesanstalt für Arbeit ins Netz gestellt werden, ist das wirklich entmutigend.

kobinet-nachrichten: Immerhin gibt es mittlerweile aber auch eine ganze Reihe von sehr schönen ...

Tiffany Wyatt: … ja sogar vorbildlichen barrierefreien Websites - es hat sich also einiges getan im Jahr 2003. Aber ich hoffe, dass 2004 noch sehr viel mehr passiert. Barrierefreies Webdesign ist heute leider immer noch kein Thema für die breite Öffentlichkeit, sondern eine Nische, die nur wenige spezialisierte Agenturen bedienen und noch weniger Auftraggeber nachfragen. Bis Barrierefreiheit im Internet zur Selbstverständlichkeit wird, ist es wohl noch ein weiter Weg.

kobinet-nachrichten: Warum kommt das Internet für alle nur sehr schleppend voran?

Tiffany Wyatt: Ich denke es mangelt noch immer an Information. Das klingt vielleicht merkwürdig angesichts der zahlreichen Websites, die sich mit dem Thema Barrierefreiheit im Netz beschäftigen - aber trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb ist es gar nicht so einfach, einen Überblick zu bekommen und die grundlegenden Konzepte der barrierefreien Webentwicklung zu verstehen.

Richtlinien und Empfehlungen allein helfen nicht weiter, wenn man nicht genau nachvollziehen kann, wozu sie gut sind. Ich finde es deshalb wichtig, dass Webentwickler darüber Bescheid wissen, wie assistive Technologien funktionieren - oder vielleicht auch einfach mal eine halbe Stunde ohne Maus surfen. Wer selbst erlebt hat, wie unüberwindbar die Hürden auf vielen Sites sein können, wird sich vielleicht etwas leichter von lieb gewonnenen HTML-Gewohnheiten verabschieden und sich die Mühe machen, vieles ganz neu zu erlernen - ich denke da zum Beispiel an den Verzicht auf Layouttabellen zugunsten von CSS.

Allerdings sind nicht nur die Entwickler gefordert. Auch und gerade auf Auftraggeberseite muss sich noch sehr viel bewegen. Die Budgets für Webprojekte sind eng und viele Auftraggeber nicht bereit, auch nur einen kleinen Mehrpreis für Barrierefreiheit zu bezahlen. Ich glaube, dass auch hier verstärkt informiert werden muss, zum Beispiel darüber, dass Barrierefreiheit und Standardkonformität auch für Auftraggeber jede Menge Vorteile mit sich bringen und sogar dazu beitragen können, Kosten einzusparen.

Nicht zuletzt wünsche ich mir mehr Tatkraft seitens der Gesetzgeber - vor allem derjenigen Bundesländer, die immer noch keine eigenen Gleichstellungsgesetze verabschiedet haben.

kobinet-nachrichten: Wird in ihrem vierwöchigen Online-Workshop zum Thema «Barrierefreies Webdesign» bei akademie.de auch ein ansprechendes Design für «Normalsichtige» behandelt?

Tiffany Wyatt: Der Workshop ist zwar nicht in erster Linie ein Designkurs, aber dennoch wird selbstverständlich auch das Thema Gestaltung behandelt. Ich bin davon überzeugt, dass eine gute Gestaltung sehr wichtig für die Zugänglichkeit einer Website ist. Barrierefreiheit bedeutet ja nicht, dass man Sehende außen vor lässt und nur noch Textwüsten anbietet. Im Gegenteil: die Anforderungen an das Design einer barrierefreien Website sind sehr hoch. Schließlich soll es für «Normalsichtige» ansprechend und benutzerfreundlich sein, für Menschen mit Sehbehinderung ausreichend hohe Kontraste bieten und große Schriften auch ohne hässliche Layoutverschiebungen vertragen, für Menschen mit Lernschwierigkeiten die Verständlichkeit der angebotenen Informationen erhöhen - und ganz nebenbei auch noch das Thema der Site optisch überzeugend transportieren. Jede Menge interessanter Stoff für den Online-Workshop also!

(Das Gespräch führte Franz Schmahl)

http://www.kobinet-nachrichten.org/cipp/...t/oid,1211

p.s. die frau sieht zum "knuddeln süß" aus und hat ne tolle einstellung! wow!!!
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«Barrierefreiheit als Qualitätsmerkmal» - von marlem - 19.12.2003, 10:03
[Kein Betreff] - von Zerogiven - 19.12.2003, 10:47

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